Das Ende der Holding-Gesellschaft?

Im Rahmen der 11. jährlichen virtuellen IBA-Konferenz zu Finanz- & Kapitalmarktsteuern fand am 22. April 2023 eine Sitzung des IBA-Steuerkomitees statt. Diskutiert wurde dabei kein geringeres Thema als der vermeintliche "Tod der Holdinggesellschaften". Eine provokante These, aber wieviel wahrer Kern steckt darin?

Tatsächlich war es in der Vergangenheit durchaus so, dass Holdinggesellschaften über Inbound-Flüsse von Steuerabkommen und Richtlinien der Europäischen Union profitierten.

Durch eine Reihe von Maßnahmen, die den Zugang zu den Vorteilen von Steuerabkommen und EU-Richtlinien einschränken können, hat sich die Situation in den letzten Jahren jedoch grundlegend gewandelt.

Die eigentliche Anfechtung des Vertragsstatus von Holdinggesellschaften begann im Jahr 2015, als das Base Erosion and Profit Shifting-Projekt (BEPS-Projekt) der OECD unter dem Aktionspunkt 6 Maßnahmen zur Einschränkung der unangemessenen Nutzung von Steuerabkommen empfahl. Dies führte dazu, dass Holdinggesellschaften immer höhere Hürden für die Befreiung von der Quellensteuer und die Befreiung von der Kapitalertragssteuer für Gebietsfremde zu überwinden hatten und deren Überlebensfähigkeit auf den Prüfstand stellte.

Was genau wird von den Behörden "angegriffen"?

Darüber gaben die Referenten einen Einblick aus typischen Holdingstrukturen in ihren jeweiligen Herkunftsländern und nannten dabei die Folgenden:

Briefkastenfirmen

So wurden Luxemburger Holdings (Lux Holdcos) einst wirklich von allen genutzt, von multinationalen Konzernen über KMUs mit grenzüberschreitenden Elementen bis zu Fondgesellschaften. Anfang der 2000er Jahre trafen sich die Berater noch mit den Kunden im Ausland. A ab 2010 begannen die Kunden dann nach Luxemburg zu reisen und später, ab 2015, gründeten sie dort, substanzbildend, Unternehmen.

Substanzarme Unternehmen

In einigen Ländern, wie z.B. Irland, den Niederlanden und Malta gibt es derzeit keine kodifizierten Anforderungen an die Substanz eines Unternehmens. Traditionell verfügen Holdings und vermögensverwaltende Gesellschaften über kein oder nur geringes eigenes Personal. Dies ist jedoch durch das Geschäftsmodell von Holding- und vermögensverwaltenden Gesellschaften bedingt und diesen Gesellschaftsformen immanent.

Beteiligungsfreistellungsregel und Quellensteuerbefreiung

Diese als "niederländische Kronjuwelen" bekannten Vorteile besaßen früher, in Verbindung mit einem neutralen Joint-Venture-Statut, dem flexiblen Gesellschaftsrecht und den Investitionsschutzabkommen, eine große Anziehungskraft.

Seit Anfang 2000 wurden diese "Vorteile" jedoch auf den Prüfstand gestellt und das politische Klima in den Niederlanden begann sich zu ändern und die Niederlande führen 2004 und 2019 neue Regelungen, wie z. B. die Quellensteuer auf Dividenden für Genossenschaftsbetriebe, ein.

Welche Gründe haben die Behörden-Angriffe auf Holdinggesellschaften?

Die Referenten, Experten aus vier Ländern, die bekannt für deren intensiven Gebrauch von Holding-Strukturen sind, identifizierten 3 Bereiche, die sie als ursächlich für die "Angriffe" der Behörden auf Holdinggesellschaften ansehen:

Die Dänemark-Fälle

Dort ging es um die Quellenbesteuerung von Zins- und Dividendenzahlungen innerhalb der EU, wobei die Anteile der Empfängergesellschaften von Gesellschaften bzw. Zweckvermögen in Drittstaaten gehalten wurden. Offensichtlich waren diese Gesellschaften in der EU zwischengeschaltet worden, um so jegliche Besteuerung in den Quellenstaaten zu vermeiden. Die dänischen Finanzbehörden hatten jedoch die Anwendung der einschlägigen Richtlinien verweigert mit der Begründung, dass es sich bei den empfangenden EU-Gesellschaften um bloße Durchleitungsgesellschaften handelte und daher nicht von einer Nutzungsberechtigung gesprochen werden könnte. Dementsprechend könnten die Richtlinien in diesen Fällen nicht zur Anwendung kommen.

Die Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung (ATAD 3)

Hierbei handelt es sich noch um einen Richtlinienentwurf, der zum 01.01.2024 umgesetzt werden soll. Dem Entwurf zufolge sollen Unternehmen bei Erfüllung bestimmter Kriterien einer Berichtspflicht im Zusammenhang mit substanzschwachen Gesellschaften unterliegen. Gelingt die Widerlegung des Fehlens mangelnder Substanz nicht im Rahmen dieser Berichtspflicht, soll es in letzter Konsequenz zur Versagung der Anwendung der Vorteile von Doppelbesteuerungsabkommen sowie der Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie und der Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie in allen anderen EU-Mitgliedstaaten kommen. Zusätzlich ist möglicherweise eine Art Hinzurechnungsbesteuerung (auch für natürliche Personen) geplant.

Die Säule 2 (Pillar 2) der GloBE Rules

Die EU-Kommission will ein Mindestbesteuerungsniveau multinationaler Unternehmensgruppen in der EU sicherstellen. Die dazu vorgelegte Richtlinie soll die durch die OECD veröffentlichten Global anti-Base Erosion Rules (GloBE Rules“ innerhalb der EU einheitlich umsetzen. Die GloBE Rules sind Teil eines international koordinierten Konzepts zur künftigen Besteuerung internationaler Konzerne und basiert auf zwei Säulen.

Die zweite Säule besteht dabei aus einer Mindestbesteuerung, die für Konzerne mit einem Gesamtumsatz von EUR 750 Mio. oder mehr eine Besteuerung von mindestens 15 % sicherstellen soll. Zur Implementierung dieser Mindestbesteuerung sollen sich die nationalen Gesetzgeber dreier Instrumente bedienen:

  • Income Inclusion Rule (IIR)

  • Undertaxed Payments Rule (UTPR)

  • Subject to Tax Rule (STTR)

Welche Konsequenzen hatten die Gesetze und Richtlinien der Behörden bisher?

In Luxemburg hatte es zur Folge, dass das Land heute nicht mehr nur aus Briefkastenfirmen besteht, und die Berater sprechen nicht mehr von Special Purpuse Vehicles (SPUs) oder Zweckgesellschaften. Derzeit liegt der Schwerpunkt auf Investmentstrukturen/Fonds (sogenannte Master-LuxCos), d. h. auf Plattformgesellschaften, die Anlage- und Treasury-Aktivitäten sowie Beratung abdecken. Vergleicht man also die heutige Praxis mit der von vor 20 Jahren, so hat sich viel verändert.

Substanz ist inzwischen jedoch die Voraussetzung, vor allem für aktive Handelsgesellschaften, um in den Genuss des 12,5-prozentigen Steuersatzes zu kommen, statt des höheren 25-Prozent-Satzes. Die irische Steuerbehörde legt nun zudem bei der Umsatzsteuer-Registrierung Wert auf Substanz und so erhält eine reine Holdinggesellschaft in der Regel keine Umsatzsteuernummer, da sie nicht über ausreichende Substanz verfügt.

In Irland kam es daher zu einer Abkehr von substanzarmen Holdinggesellschaften für geistiges Eigentum. Heutzutage steht im Fokus, Investment-Holdinggesellschaften mehr Substanz zu verleihen. So vermeidet man Probleme in den Herkunftsländern, die eine entsprechende Zahl qualifizierter Mitarbeiter verlangen, insbesondere bei aktiven Investmentgesellschaften.

Ähnliches gilt auch für die Niederlande, wo verschiedene Grundsätze in Bezug auf die Substanz eingeführt wurden. Dazu gehören u.a. relevante inhaltliche Kriterien und ein ausreichender "wirtschaftlicher Bezug" zu den Niederlanden in Bezug auf Entscheidungen, die verlangen, dass die antragstellenden Unternehmen ein reales Unternehmen und reale Personen in den Niederlanden haben.

So wird keine Entscheidung zugelassen, wenn der Hauptzweck einer Transaktion die Steuervermeidung in den Niederlanden ist oder wenn ein Niedrigsteuerland direkt beteiligt ist. Sind die relevanten Substanzkriterien auf der Ebene des niederländischen Unternehmens nicht erfüllt, ist keine Entscheidung bzw. kein automatischer Informationsaustausch möglich, und das Quellenland kann inländische/vertragliche Vorteile verweigern, wenn keine Überprüfung des wirtschaftlichen Eigentümers/Hauptzwecks vorliegt.

Und auch in Malta wurden vor zehn bis 15 Jahren viele maltesische Unternehmen mit wenig Substanz gegründet, weil nach den inländischen Gesellschafts- und Steuergesetzen keine erforderlich war.

Doch auch dort haben sich die Anforderungen an die Substanz in den vergangenen Jahren erheblich verändert, wobei diese aber eher indirekt auferlegt wurden. Einerseits durch die Banken, die sich weigern, Konten für Unternehmen zu eröffnen, die keine Substanz in Malta haben, andererseits durch regulierte Unternehmen, die die Anwesenheit von Schlüsselpersonal in Malta erfordern.

Damit ist es in Malta inzwischen sehr schwierig geworden, eine Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit zu erhalten, sofern es nicht über wirkliche Substanz in Malta verfügt.

Fazit

Einig waren sich die Experten darüber, dass es behördlicherseits einen konsequenten Angriff auf Holdinggesellschaften gegeben habe, wobei OECD und EU maßgeblich beteiligt waren.

Jedoch sah Ayzo van Eysinga von AKD, Luxembourg keinen Tod der Holdinggesellschaften herannahen. Dieser sei ohnehin schon seit mindestens 2005 vorhergesagt worden. Die jetzt seltenen, billigen, substanzarmen sowie die Ad-hoc-SPVs (Zweckgesellschaften) seien vielleicht in gewissem Maße bedroht, aber gut etablierte, gut besetzte Plattform-Investmentgesellschaften werden seiner Ansicht nach gut dastehen.

Was die Zukunft der Holdinggesellschaften betrifft, sei insgesamt festzustellen, dass

(1) Holdinggesellschaften haben jetzt mehr personelle Substanz haben müssen und

(2) die Konzerne akzeptiert haben sollten, dass sie, wenn sie die Vorteile der Regelungen für Holdinggesellschaften in bestimmten Jurisdiktionen nutzen wollen, dort entsprechend qualifizierte Mitarbeiter ansiedeln müssen.

Bei der Überlegung, ob man als Unternehmen seine Vermögenswerte dorthin verlagert, wo die Substanz vorhanden ist, statt dorthin, wo der steuerlich günstigste Standort ist, zeigte die Vergangenheit, dass die Unternehmen in der Praxis eher den umgekehrten Weg gingen, sie also eher die Substanz an steuereffiziente Standorte verlagert haben. Möglicherweise ist ein ähnlicher Trend auch bei den Holdinggesellschaften zu erwarten.

 
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