Recht & Gesetz

Gegen die Republikflucht: Neuregelung der deutschen Wegzugsbesteuerung ab 2022

Wer nicht zahlen kann, darf Deutschland nicht verlassen: Die Wegzugsbesteuerung wurde neu geregelt und steht im krassen Gegensatz zur EU-Niederlassungsfreiheit. Hier erfahren Sie mehr zu den Änderungen und wie Sie die Steuer vermeiden können.

Der Deutsche Bundestag hat am 21. Mai 2021 das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) beschlossen. Über den Anwendungsbereich besagter Richtlinie hinaus, die nur Betriebsvermögen betrifft (!), hat der deutsche Gesetzgeber darin auch die Wegzugsbesteuerung für privat gehaltene Gesellschaftsanteile neu gefasst. 

So fällt die Möglichkeit zur Stundung der Wegzugssteuer weg und der Zeitraum zur Bemessung Ihrer Steuerpflicht wird verkürzt. Haben Sie vor, Ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen, wirken sich diese Änderungen möglicherweise negativ auf Ihren Cashflow aus. Besonders von der Verschärfung betroffen sind in Deutschland Steuerpflichtige, die ins EU-Ausland ziehen bzw. sich in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums niederlassen.

Auf dieser Seite erfahren Sie mehr zur Wegzugsteuer in Deutschland, wer diese zu zahlen hat und auf welches Vermögen sie anfällt. Außerdem schildern wir die bisherigen Gesetzgebungen und weisen auf die zukünftigen Änderungen hin. Schließlich reißen wir an, welche Möglichkeiten es gibt, die Wegzugsteuer zu umgehen.

Was ist die Wegzugsbesteuerung

Als Wegzugsteuer bezeichnet man die im Außensteuergesetz geregelte Besteuerung, die auf massgebliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im In- und Ausland (!) von mindestens 1% angewendet wird, wenn natürliche Personen aus Deutschland wegziehen. Zieht ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger bzw. Gesellschafter ins europäische Ausland, werden seine Anteile an Kapitalgesellschaften so behandelt, als hätte er diese verkauft – egal, ob dies tatsächlich der Fall ist. Man spricht auch von einem fiktiven Veräußerungserlös.

Und wie hoch ist die Wegzugsteuer? Die steuerliche Belastung kann signifikant sein: Die Finanzbehörden gehen von einer Bewertung von 13 bis 16 Mal des letzten Jahresgewinns aus. D.h. eine GmbH mit €100.000 Gewinn ist demnach schnell €1.5 Millionen wert. Haben Sie diese mit €25.000 Stammkapital gegründet, liegt der fiktive Veräußerungserlös bei €1.475.000. 60% davon müssten Sie dann mit Einkommensteuer versteuern. Es werden also schnell €400.000 an Steuer fällig, nur damit Sie Deutschland verlassen können.

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in Deutschland Gesetze eingeführt, die die Vermögensgegenstände von Einwohnern, die ihren Wohnsitz in ein anderes Land verlegten, besteuerten. In anderen Worten, eine Wegzugsteuer für Privatleute. Die Gesetze haben sich im Laufe der Jahre geändert, so auch die Vorgehensweise der Erfassung. Daraus hervorgegangen ist die heutige Wegzugsbesteuerung nach § 6 des Außensteuergesetzes.

Wer zahlt Wegzugsbesteuerung

Die Wegzugsbesteuerung findet Anwendung auf natürliche Personen, die, während einem Zeitraum von 12 Jahren, mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland waren und die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie besitzen mindestens 1 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft

  • Sie übertragen Ihre Anteile an eine natürliche oder juristische Person, der nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist

  • Sie verlegen Ihren Wohnsitz ins Ausland, oder halten sich dort für gewöhnlich auf

  • Sie melden sich aus Deutschland endgültig ab

Bisher wurde die steuerpflichtige Gruppe definiert als Personen, die während Ihrer gesamten Lebenszeit, in Deutschland 10 Jahre lang unbeschränkt steuerpflichtig waren. Das heißt die steuerpflichtige Zeit wird auf 7 Jahre verkürzt, und der Bemessungszeitraum von Lebenszeit auf 12 Jahre eingeschränkt.

Wie hoch ist die Wegzugsteuer

Die Wegzugsbesteuerung ist lediglich das Gesetz, nach dem Privatvermögen versteuert wird, wenn Sie Deutschland den Rücken kehren. Die Grundlage zur Versteuerung bildet das Einkommensteuergesetz mit § 17 Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Ihre Anteile an Kapitalgesellschaften werden demnach bereits versteuert, wenn Sie Ihren Aufenthalt endgültig ins Ausland verlegen.

Auch wenn Sie ihre Kapitalanteile nicht verkaufen, werden diese mit einem fiktiven Preis versehen und so versteuert, als hätten Sie diese veräußert. Deutschland möchte so verhindern, dass Sie aufgrund der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die mit vielen Ländern bestehen, ihre Anteile in ihrem neuen Wohnsitzstaat versteuern.

Wie oben beschrieben wird Einkommensteuer im Teileinkünfteverfahren auf einen vom Finanzamt geschätzten fiktiven Veräußerungserlös fällig. Sie können dieser Bewertung mit einer eigenen, durch einen Gutachter vorlegten Bewertung, entgegenwirken.

Die Abgaben für den Gewinn aus ihrem Kapitalvermögen, können Sie in jährlichen Raten, über 7 Jahre lang, tilgen. Auf unseren Webseiten finden Sie mehr Informationen zum internationalen Steuerrecht bei Gründung eines Unternehmens im Ausland und was es zu beachten gilt.

Was ändert sich bei der Wegzugsbesteuerung 2022

Die für Sie wichtigste Änderung ist wohl die Stundungsvorschrift des § 6 Abs. 4 AStG. Bisher war es möglich die Steuerschuld als Ratenzahlung zu begleichen oder diese für mehrere Jahre aufzuschieben. Mit der Reform der Wegzugsbesteuerung fällt die Möglichkeit zur Stundung weg. Sie können aber weiterhin einen Antrag zur Ratenzahlung stellen.

Stundung der Wegzugsbesteuerung

Bisher: Ziehen Sie in ein anderes EU-Land oder einen Staat, der Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist, so können Sie die Steuer-Zahllast stunden. Dadurch brauchen Sie die Steuern auf Ihr Vermögen aus Kapitalanlagen nicht zu zahlen, bis Sie diese wirklich veräußern. Die Stundung ist zinslos und unbefristet.  

Diese Stundung kann angewendet werden, wenn ihre neue Heimat ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland hat und die Einkommensteuerpflicht, der in Deutschland ähnlich ist. Die Wegzugsbesteuerung findet dann zwar Anwendung, Sie brauchen die Abgaben aber vorerst nicht zu zahlen.

In Zukunft: Mit der neuen Reform ändert sich diese Regelung und wird der für Drittstaaten angepasst. Demnach können Sie Ihre Steuerlast nicht mehr aufschieben, sondern die Steuern werden sofort fällig. Sie können aber dennoch einen Antrag stellen, um die Abgaben in Teilbeträgen zu zahlen. Die Möglichkeit zur Stundung soll es nur noch bei der im folgenden beschriebenen Rückkehrerregelung geben.

Rückkehrerregelung bei der Wegzugsteuer

Haben Sie vor, nur vorübergehend ins Ausland zu ziehen, können Sie von der Rückkehrregelung der Wegzugsbesteuerung Gebrauch machen. Hierbei sollten Sie bereits bei ihrem Wegzug nachweisen, dass Sie vorhaben innerhalb von 5 Jahren (evtl. 10 Jahre) wieder nach Deutschland zurückzukehren und dann wieder unbeschränkt steuerpflichtig sein werden. Außerdem können Sie beim Wegzug gleichzeitig die Stundung ihrer Ratenzahlung beantragen und brauchen dann vorerst keine Abgaben auf ihre Kapitalanteile zu zahlen.

Die neue Reform sieht vor, dass die Fristen von 5 auf 7 Jahre erhöht werden und Sie dennoch eine Verlängerung auf bis zu 12 Jahre beantragen können. Außerdem ist der Nachweis einer Rückkehrabsicht theoretisch nicht mehr erforderlich. Die vorübergehende Abwesenheit wird damit der vorerst einzige Sachverhalt sein, bei dem Sie weiterhin eine Stundung beantragen können.

Verwendung Ihrer Anteile

Bisher konnten Sie Ihre Anteile an in Deutschland steuerpflichtige Einwohner übertragen, ohne Ihre Ratenzahlung zu beeinflussen. Die Änderung der Wegzugsbesteuerung sieht nun vor, dass die Ratenzahlung hinfällig ist, sobald Sie Ihre Anteile an eine andere Person übertragen. Übertragen Sie Ihre Anteile, erlischt somit die Ratenzahlung und die Steuer ist sofort fällig. Eine Ausnahme stellt der Sterbefall dar.

Eine weitere Änderung gibt es in Bezug auf Auszahlungen aus Ihren Anteilen. Nutzen Sie mehr als 25 % des Werts Ihrer Anteile als Gewinnausschüttung oder Einlagenrückzahlung, wird die Wegzugsteuer sofort fällig. Dies ist besonders zu beachten, wenn Sie vorhaben, einen Teil Ihres Vermögens nach dem Wegzug zu verwenden.

Übersicht zur Reform der Wegzugsbesteuerung 2022

Etwas Positives bringt die Reform der Wegzugsbesteuerung auch mit sich. Möchten Sie in ein Drittland ziehen, oder stammen Sie selbst aus einem Drittstaat, können Sie nun auch eine Ratenzahlung für Ihre Abgaben beantragen. Allerdings müssen Sie eine Sicherheit leisten. Auch bei der Rückkehrregelung gibt es Anpassungen, die Zeiträume sind länger und Sie brauchen keine Nachweise für Ihre Absichten mehr. Im Folgenden haben wir die Änderungen für Sie zusammengefasst abgebildet.

So können Sie die Wegzugsbesteuerung umgehen

Es gibt ein paar Konstellationen, mit denen Sie die Wegzugsteuer vermeiden oder zumindest verringern können. Allerdings bedarf es da fachmännischen Wissens, denn es kann schon etwas komplizierter werden. Wir reißen die Ideen nur kurz an und lassen Sie selbst entscheiden, ob Sie eine Beratung in diese Richtung wünschen. Hier sehen Sie zwei Möglichkeiten zur Umgehung der Wegzugsbesteuerung:

  • Sie ziehen nicht endgültig ins Ausland, sondern behalten entweder ihren Wohnsitz in Deutschland, oder planen nicht länger als 7 Jahre (unter bestimmten Voraussetzungen auch bis zu 12 Jahre) im Ausland zu sein. Sie müssen aber darauf achten, dass Sie weiterhin in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig bleiben, da sonst das Außensteuergesetz greift. Dies kann besonders schwierig werden, wenn Sie in ein Land ziehen, das mit Deutschland ein Steuerabkommen hat.

  • Sie können ihre Kapitalanteile in das Betriebsvermögen einer Gesellschaft einbringen oder umwandeln. Dies ist komplizierter, da Sie darauf achten müssen, welche Gesellschaftsformen Sie wählen (Personen- oder Kapitalgesellschaft) und diese ihre eigenen steuerlichen Regelungen mit sich bringen. 

Etwas einfacher wird es, wenn Sie die Höhe der Wegzugsteuer minimieren möchten. Dabei konzentrieren Sie sich auf die Bewertung Ihrer Kapitalanteile. Da diese für die Wegzugsbesteuerung mit einem fiktiven Preis versehen werden, haben Sie etwas Spielraum bei der Bemessungsgrundlage. Unsere Experten helfen Ihnen mit den Details.

Fazit zur Wegzugsbesteuerung

Änderungen zur deutschen Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) wurden bereits seit Jahren vorgesehen und zum Jahreswechsel werden nun einige Restriktionen in Kraft treten. Ab dem Jahr 2022 gelten insbesondere Änderungen im Bereich der Stundung und der Rückkehrregelung. 

Die Abgabenregelung wird verschärft und die zinslose, unbefristete Stundung entfällt. Auf der anderen Seite erhalten Sie für Umzüge in Drittstaaten die Möglichkeit zur zinsfreien Ratenzahlung. Allerdings müssen Sie bei einer Ratenzahlung dann zwingend eine Sicherheit hinterlegen. 

Spielen Sie mit dem Gedanken, Ihren Wohnsitz ins europäische Ausland, z.B. Italien oder Malta zu verlegen und möchten noch von den bisherigen Regelungen Gebrauch machen, sollten Sie sich sputen. Wir unterstützen Sie gerne.

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